Es gibt ein Sprichwort aus der Antike: „memento mori“, bedenke, dass Du sterblich bist. Was meinten die alten Römer damit? In der Philosophie und der modernen Psychologie wird von der heilsamen Wirkung gesprochen, sich die eigene Sterblichkeit immer wieder bewusst zu machen. Es gibt zwar schönere Dinge, aber dieses Bewusstsein hilft einem, weniger die dringlichen Dinge im Leben anzugehen als diejenigen, die einem wirklich am Herzen liegen.
Florian Langenscheidt nennt sie auch in seinem „Handbuch zum Glück“. Es ging um die Aufzeichnungen einer Palliativ-Krankenschwester, die lange Zeit todkranke Menschen betreute. Solche Menschen haben sind in der vierten Phase der Akzeptanz . (Die ersten drei Phasen sind: Verdrängung, Wut und Trauer). In so einer intensiven Phase können sie objektiv über ihr Leben Bilanz ziehen – sie haben nichts mehr zu verlieren. Die Krankenschwester hat Buch darüber geführt, welche Dinge die Menschen auf dem Totenbett am meisten bereuen.
Das bereuen die Menschen am Lebensende am meisten:
- „Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, ein Leben getreu mir selbst zu führen, statt eines, das andere von mir erwarten.“ Dieses Reue fiel am häufigsten. Irgendwann ist es zu spät, die Dinge vor sich herzuschieben und auf den „richtigen Moment“ zu warten. Leider neigen wir Menschen dazu, Dinge, die etwas Mut erfordern oder unbequem sind, in die Zukunft zu verschieben. Selbst dann, wenn Sie uns sehr wichtig sind. Wir ziehen uns in die Komfortzone unserer Gewohnheiten zurück und warten auf den „richtigen Moment“. Dieser Moment ist eine Illusion. Manche Menschen denken, wenn ich Karriere gemacht habe und finanziell unabhängig bin, dann verwirkliche ich mir diesen oder jenen Traum. Aber selbst wenn sie Karriere machen und viel Geld verdienen, kommen andere Probleme: Ehekrisen oder chronische Krankheiten. Den „richtigen Moment“ gibt es im Leben nie.
- „Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.“ Dieses Bedauern ist vor allen von Männern genannt worden. Sie haben erkannt, wie viel Lebenszeit ihnen die Arbeit genommen hat und das deren Beitrag zur Lebenszufriedenheit im Vergleich dazu gering war.
- „Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, meine Gefühle zu zeigen.“ Gerade wenn man Abschied nehmen muss, hat man das große Bedürfnis, persönliche Beziehungen zu klären. Leider neigen wir im gesellschaftlichen Umgang dazu, uns zu verstellen: wir unterdrücken Aggressionen und dämpfen Sympathiebekundungen. Wir sind nicht immer aufrichtig zu uns und zu unseren Mitmenschen.
- „Ich wünsche, ich wäre mit meinen Freunden in Kontakt geblieben.“ Der Mensch ist ein Sozialwesen. Viele Menschen erkennen erst am Lebensabend den Wert von Freundschaft. Viele Biographien handeln von Freundschaften, beispielsweise die schöne Zuckmayer-Biographie „Als wär’s ein Stück von mir“. Beziehungen sind eine wichtige Energiequelle. Nach der Pensionierung ist man bei seinem Arbeitgeber abgemeldet. Die Sympathie lieber Menschen aber kann einen tragen bis zum Schluss.
- „Ich wünschte, ich hätte mich glücklicher sein lassen.“ Diese Feststellung bezieht sich darauf, dass die Menschen bedauern, nicht mehr den Augenblick, den Moment, die kleinen Dinge im Leben genossen zu haben. Sie haben sich selbst verboten, glücklich zu sein, weil sie an ihre Pflichten und Sorgen dachten.
Der dänische Philosoph Soeren Kirkegaart prägte das Zitat: „Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden“. Und dennoch kann man mit mentalen Übungen ein bisschen dieser Weisheit antizipieren: Die Starpsychologen Phil Stutz und Barry Michels aus Los Angeles beschreiben in Ihrem Buch „The Tools“ ein Verfahren, mit dem man sich motivieren kann, wenn einem der Mut fehlt, eine Herzensangelegenheit endlich anzugehen. Sie nennen die Übung „Leben oder Tod“ und schlagen vor, man soll sich dann vorstellen, wie man selbst an seinem Lebensende im Bett liegt, sich noch einmal mit aller Kraft aufrappelt und dem jüngeren, heutigen Ich zuruft: „Los! Tu es jetzt. Sonst wirst Du es einmal bereuen.“
Stutz und Michels betreuen viele berühmte Schauspieler, darunter auch einige Oscar-Preisträger. Sie berichten, bei den schwierigen Entscheidungen gehe es oft um menschliche Gesten, bei denen man über seinen Schatten springen muss: einem Menschen vergeben, sich versöhnen, jemandem seine Liebe erklären, sich selbst etwas gönnen – so etwas scheuen viele Menschen häufig mehr als harte Arbeit für die Karriere.