Man kann auch mit kleinen Schritten daran arbeiten, ein zufriedenerer Mensch zu werden.
Der Soziologe Mihály Csíkszentmihályi (ausgesprochen Tschik-send-Mihai) hat herausgefunden, dass man diese „große Sache“ Glück auch im Kleinen, Alltäglichen finden kann. Er schildert die Ergebnisse seiner umfangreichen Studien im Buch „Flow – Das Geheimnis des Glücks“ . Glück definiert er als ein Empfinden des Einsseins mit der Welt und dem Leben, man fühlt sich ganz gegenwärtig und im Bewusstsein herrscht Ordnung.
Der 1934 geborene Psychologe Csikszentmihalyi hat sein gesamtes Berufsleben dem Studium von Glück und Flow-Erlebnissen gewidmet. Nach den Studien des Psychologen mit schwer aussprechbaren Namen kann ein einfacher Arbeiter sehr glücklich sein, auch wenn er jeden Tag dieselbe Tätigkeit ausführt. Die mentale Fähigkeit zu Aufmerksamkeit und Hingabe sind wichtige Voraussetzungen für ein erfülltes Leben. Sie beeinflussen unsere Einstellungen und unser Verhalten.
Csikszentmihály Fazit nach Jahrzehntelangen Studien zum Thema „Glück“: „Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die meisten Menschen in der frustrierenden Tretmühle steigender (materieller) Erwartungen gefangen werden“. Menschen mit ausgeprägtem Glücksempfinden zeichnen sich ihm zufolge durch folgende Eigenschaften aus.
- Sie verfolgen realistische, überschaubare Ziele und werden nicht von großen, langfristigen Zielen gelähmt,
- sie machen sich weitgehend unabhängig von ihren materiellen Voraussetzungen,
- sie lernen bis ins hohe Alter und sind offen und tolerant gegenüber Neuem,
- sie haben enge persönliche Bindungen und übernehmen Verantwortung für andere,
- sie nutzen sogenannte „langweilige“ Routinetätigkeiten wie eine Meditationsübung, die sie mit Hingabe und dem Streben nach Perfektion ausüben,
- sie streben an, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten permanent zu verbessern,
- sie nehmen jede Herausforderung an, die das Leben ihnen stellt,
- sie steuern ihr Leben bewusst und fühlen sich NICHT fremdbestimmt.
Fast alle Meditationstechniken funktionieren nach diesem Prinzip: lenke die Wahrnehmung auf eine einfache, wiederkehrende Tätigkeit und bringe damit deine Gedanken zur Ruhe. Ob es das Rosenkranz-Beten, das Wiederholen von Mantras, das Atmen im Zen, die Yoga-Übungen oder der immer gleiche Ablauf beim Japanischen Bogenschießen ist: jedesmal geht es darum, sich ganz der Aufgabe zu widmen und in der Gegenwart präsent zu sein. In China gibt es das Sprichwort: „Der Verstand ist ein plappernder Affe“. Es beschreibt die wenig konstruktiven assoziativen Gedankenkreisläufe in unserem Kopf. Gerade wenn man unter Druck steht oder Sorgen hat, fahren die Gedanken häufig Karussell. Mehrere Zehntausend Gedanken fallen einem Menschen täglich ein, die Frage ist: woher?
Wenn man eine Tätigkeit als Last empfindet, dann will man den „Mist“ so schnell wie möglich hinter sich haben. Und schups: geht etwas schief. Oder man hat Angst, etwas könnte schief gehen: und schon ist es passiert. Vielleicht ist man mit dem Kopf schon bei der nächste Aufgabe und bemerkt plötzlich, dass man gedankenverloren einen Fehler gemacht hat. Oder man grübelt über den letzten Ehekrach oder den Streit mit seinem Vorgesetzten nach. Meine ältere Schwester hasste es, zu bügeln. Eines Tages bemerkte sie, wie sie während des Bügelns plötzlich alles um sich herum vergessen hatte, wie das Gefühl für Raum und Zeit bei ihr aufgehoben war. Seitdem widmet sie sich dem Bügeln mit Hingabe. Ihr Verstand konzentriert sich auf schöne Bügelfalten und hat keine Kapazität für Sorgen und Ungeduld. Gedanken, Gefühle und Bilder kommen und gehen, ohne dass sie diese mit Druck erzeugt oder festhält. Und gerade, weil sie mental entspannt ist, liefert ihr ihr Unterbewusstsein beim Bügeln oft die besten Ideen. Seit diesem Einstellungswandel mag sie es, zu bügeln.
Auch in der Philosophie des Zen werden Alltagstätigkeiten wie das Abwaschen von Geschirr oder das Hofkehren als praktische Übungen der Besinnung und Zentrierung empfohlen. Karlfried Graf Dürckheim, der erste große deutsche Zenmeister schreibt darüber in seinem Buch; „Der Alltag als Übung“.
Noch eines hat Mihaly C. im Laufe seines Forscherlebens herausgefunden: Glück geschieht nicht einfach. Man muss dafür bereit sein. Man muss seine inneren Erfahrungen steuern können. Und das erreicht man durch eins: üben, üben, üben. Ein altes Indianersprichwort besagt: „Du bist heute, was du vor 20 Jahren gedacht hast“. Erfolg ist die Folge einer langen Kette von Gedanken, Handlungen und aller Entscheidungen, die man in seinem Leben bewusst oder unbewusst getroffen oder nicht getroffen hat. Wer würde sich je zutrauen, aus dem Stand einen Marathon zu laufen? Genau so ist es mit der mentalen Fitness. Man kann die Voraussetzungen für persönliches Glück und Erfolg deutlich verbessern, wenn man dauerhaft, bewusst und aufrichtig seine mentalen Fähigkeiten trainiert. Es ist nicht der Gedanke ans Sport, der die Pfunde schmelzen lässt. Deshalb sollte man sich eine Bewegungsform aussuchen, die einem Freude bereitet. Und dann muss sich aufrappeln und strampeln! Und es mit Hingabe tun.